Traumatherapie mit Somatic-Experiencing (SE)

SE ist eine psychophysiologische Behandlungsmethode, die auf den Erkenntnissen der aktuellen Neurobiologie basiert. Sie wurde von Peter Levine, einem Biologen und Psychologen, in jahrzehntelanger Forschungs- und Entwicklungsarbeit entwickelt.

SE stellt den biologische Mechanismus eines Traumas in den Mittelpunkt der therapeutischen Arbeit - d.h. die im Körper während des traumatischen Ereignisses abgelaufenen Stress- und Überlebensreaktionen. Durch die Einbeziehung und Regulierung der Reaktionen des autonomen  Nervensystems unterscheidet sich der Ansatz von Somatic-Experiencing® ganz wesentlich von anderen Traumamethoden.
Aus Sicht von SE muss die körperliche Reaktion auf das verursachende Ereignis als eigenes Phänomen berücksichtigt werden, anderfalls bleibt traumatische Energie im Körper gespeichert und macht sich in Form von körperlichen und psychischen Symptomen bemerkbar. Diese zeigen sich eventuell erst Jahre später als Übererregbarkeit, Überaktivität, jähzornige Wutausbrüche, Ängste, Panik, Depressionen, Gefühle von Entfremdung, Konzentrationsstörungen, Dissoziation, Bindungsunfähigkeit, Schlafstörungen, Erschöpfung, chronische Schmerzen, Migräne, Nacken- und Rückenprobleme, Probleme mit dem Immunsystem, Burnout uvm. Trauma-Symptome lassen sich durch reden allein nicht verändern. Denn sie beruhen auf Überlebensreaktionen, die vom Körper ausgegangen sind.

Kämpfen und Flüchten

"Einer traumatischen Reaktion liegt ein 280 Millionen Jahre altes Erbe zugrunde, eine Erbe, das sich in den tiefsten und ältesten Strukturen unseres Gehirns befindet, die wir Reptiliengehirn nennen. Wenn diese primitiven Teile des Gehirns eine Gefahr wahrnehmen, aktivieren sie automatisch eine außergewöhnliche Menge an Energie - wie beispielsweise den Energiestoß, der es einer Mutter ermöglicht, das Auto anzuheben oder zu schieben unter das ihr Kind geraten ist. Dies wiederum ruft starkes Herzklopfen hervor, begleitet von mehr als 20 weiteren physiologischen Reaktionen, die uns darauf vorbereiten, die Menschen, die wir lieben, zu verteidigen und zu schützen. .... Wie wirken sich diese Energieausschüttung und die zahlreichen physiologischen Veränderungen langfristig aus? ... Für die Vermeidung (und den Abbau Anmerkung d. Zitierenden) einer Traumatisierung ist es entscheidend, dass der gesamte Energieüberschuss beim Bewältigen der Bedrohung aufgebraucht wird. Energie, die nicht vollständig abgebaut wurde, verschwindet nicht einfach; sie bleibt im Körper eingeschlossen und schafft das Potential für traumatische Symptome." Zitat aus Peter Levine, Maggie Kline: Verwundete Kinderseelen heilen. 2005 Kösel Verlag

Die therapeutische Arbeit mit Kampf- und Fluchtreaktionen

Die großen Chancen und Stärken von Somatic-Experiencing® beruhen darin, genau auf diesen beschriebenen Entstehungszusammenhang eingehen zu können: SE kann die körperlichen Reaktionen erkennen, verstehen und auflösen, die während eines Traumas abliefen.

  • Zuerst werden in der Therapiesitzung Ressourcen für Sicherheit und Stabilität entwickelt. D.h. Fähigkeiten wie innere Ruhe, Überblick und Distanz werden ersteinmal gestärkt. Damit die Beschäftigung mit den traumatischen Erlebnissen auf kontrollierte Weise stattfinden kann.
  • In der SE-Therapie werden die natürlichen Impulse von Kampf- und Fluchtverhalten, die in der traumatischen Situation nicht stattfinden konnten, nachträglich ermöglicht. So kann blockierte Energie sanft gelöst werden. Es ist nicht nötig, das Trauma nochmals genauso durchzustehen, wie es ursprünglich ablief.
  • Mit SE ist es möglich, ohne Inhalt oder Erinnerung zu arbeiten, wenn das Ereignis emotional zu belastend erscheint. Eine Retraumatisierung während der Therapie wird vermieden, indem die im Körper festgehaltene Energie in kleinen Dosen gelöst wird und schrittweise zur Entladung kommt. Der Körper wird unterstützt, in seine natürliche Selbstregulation zurück zu finden. Dann kann die eigene Handlungskompetenz wieder auftauchen und gestärkt werden.